Digitalisierungsstudie der Kooperationsstelle zeigt vier Schultypen – Lehrkräfte und Schüler*innen an digitalen Nachzügler-Schulen drohen abgehängt zu werden
Im Rahmen einer virtuellen Pressekonferenz wurden am 1. Juni 2021 von der Kooperationsstelle Hochschulen und Gewerkschaften der Universität Göttingen (Sozialwissenschaftliche Fakultät) wichtige erste Befunde des laufenden Forschungsprojekts „Digitalisierung im Schulsystem“ vorgestellt. Die Corona-Pandemie hat zu einem Digitalisierungsschub im deutschen Schulwesen geführt und damit eine der größten Umstellungen im deutschen Schulsystem vorangetrieben. Doch wie haben Schulen und Lehrkräfte auf diese Herausforderung reagiert? Wie verändert die Digitalisierung die Arbeitsbedingungen an Schulen?
Beim Vergleich der digitalen Strategien und Infrastrukturen an Schulen in Deutschland offenbaren die Studienergebnisse eine deutliche Kluft zwischen vier Schultypen: die Digitalen Vorreiter-Schulen, Digital orientierte Schulen, Durchschnitt-Schulen und Nachzügler-Schulen. Während die Lehrkräfte an Schulen mit höherer digitaler Reife die Potenziale ihrer Schülerinnen und Schüler besser fördern können, ist die Arbeitssituation an digital unterdurchschnittlichen Schulen stärker durch höhere Belastungen, fehlende digitale Lernkonzepte und größere Hindernisse beim Technikeinsatz geprägt. Wenn Schulen aber den Anschluss an die Digitalisierung verlieren, wächst auch die digitale Kluft bei den Schülerinnen und Schülern.
Nach dem eher pragmatischen Digitalisierungsschub unter der Pandemie werden der Austausch und das ambitionierte Ringen aller Akteure um die besten digitalen Lösungen immer wichtiger: mittel und langfristig geht es um die bedarfsgerechte, sozial verantwortliche und integrierte Gestaltung der Digitalisierung an deutschen Schulen. Dabei ist zu beachten, dass die Überforderung von Lehrkräften nicht die Zukunftsgestaltung gefährden darf. Im Zuge der digitalen Transformation in unserer Gesellschaft müssen alle Schülerinnen und Schüler an ihren Schulen digitale Kompetenzen erwerben, um gleichberechtigt am beruflichen und gesellschaftlichen Leben teilhaben können.
Darüberhinaus benötigen Lehrkräfte Spielräume, um das digital unterstützte Lehren und Lernen zu gestalten. Letztlich häufen sich in digitalen Nachzügler-Schulen die Probleme der Digitalisierung.
Und das zeigen die ersten Ergebnisse der Studie: In vielen Schulen erwerben Schülerinnen und Schüler nicht die digitalen Kompetenzen, die notwendig sind. Eltern erfahren nicht die Unterstützung, die möglich ist. Und Lehrkräfte erleben eine Benachteiligung in der Ausübung ihres Berufes, weil sie mit viel mehr Herausforderungen, Hindernissen und am Ende auch Belastungen konfrontiert sind, als in Schulen mit explizit digitaler Orientierung.
Es sind daher nachdrücklich Maßnahmen zur Überwindung der digitalen Kluft anzuraten. Schulen müssen in ihrer Entwicklung unterstützt werden. Schulleitungen müssen ermuntert werden, sich auf partizipative Entwicklungsprozesse einzulassen. Digitale Infrastrukturen müssen forciert und pädagogisch angemessen ausgebaut werden.
Für das Forschungsprojekt hatten im Januar und Februar diesen Jahres 2.750 zuvor registrierte Lehrerinnen und Lehrer mithilfe eines Onlinefragebogens umfassend Auskunft über ihre Arbeitssituation und ihre Arbeitsbelastung im Rahmen der fortlaufenden Digitalisierung gegeben. Die Studie wurde an Gymnasien, Gesamtschulen und vergleichbaren Schulformen mit Sekundarstufe I/II in allen Bundesländern durchgeführt (insgesamt 233 bzw. 4% der Schulen). Die Beteiligungsquote von 1% der Lehrkräfte ermöglicht repräsentative Befunde auf Bundesebene. Das bundesweite Forschungsprojekt wird gefördert durch die Max-Traeger-Stiftung und die BGAG-Stiftung Walter-Hesselbach. Der wissenschaftliche Abschlussbericht mit allen Befunden ist für September 2021 geplant.
Download der Studienergebnisse
https://kooperationsstelle.uni-goettingen.de/projekte/digitalisierung-im-schulsystem-2021